Anziehferfahren

Eine Verbindung mit Know-how

Schraubverbindungen sind die wichtigsten Verbindungen in der Industrie. Immer größer dimensionierte Maschinen und Anlagen erfordern größere Schraubengrößen, mit hochwertigeren Materialien, die im Verhältnis zur Streckgrenze immer weiter angezogen werden müssen. Dies erfordert eine höhere Genauigkeit. Darüber hinaus wächst die Nachfrage nach einer Dokumentation des Anziehprozesses als Nachweis gegenüber Kunden und Versicherern. Die vollautomatische Verarbeitung eines zuvor eingegebenen Anzugsprotokolls minimiert das Fehlerrisiko.

Mehr als 90-95% aller industriellen Schraubverbindungen werden mit Hilfe eines Drehmoments angezogen. In der Regel wird das Kriterium eines gewünschten Enddrehmoments verwendet. Immer öfter werden jedoch auch andere Methoden wie drehwinkel- und streckgrenzengesteuerte Verfahren angewendet. Mit kontinuierlicher Weiterentwicklung sind Statiker zunehmend in der Lage, die optimale Vorspannkraft von Schraubverbindungen zu berechnen. Dies erfordert eine genauere Berechnung und eine Verringerung der Sicherheitsmargen. Um diesen Anforderungen weiterhin gerecht zu werden, wurden Werkzeuge entwickelt, die fortschrittlicher denn je sind. Wir möchten Ihnen die wichtigsten und am häufigsten verwendeten Methoden erläutern.

Drehmoment- oder drehmomentgesteuerte Anzugsmethode

Beim drehmomentgesteuerten Anziehen stoppt der Drehmomentschlüssel, wenn ein eingestelltes Drehmoment erreicht ist. Bei diesem Verfahren ist die Kenntnis des Reibungskoeffizienten sehr wichtig. Sowohl das Schmiermittel als auch die Qualität der Bauteile und ihrer Oberflächen beeinflussen diese Reibung. Studien zeigen, dass ca. 90% des Drehmoments für die Reibung, ca. 10% für das Dehnen der Schraube verwendet wird. Es ist daher wichtig, dass der Reibungskoeffizient bekannt und stabil ist, um genaue Ergebnisse in Bezug auf die Schraubenbelastung zu erhalten. Entsprechend dem in den Drehmomentberechnungen angenommenen Reibungskoeffizienten sollten geeignete Schmiermittel verwendet werden. Die drehmomentgesteuerte Anzugsmethode ist immer noch die am weitesten verbreitete Methode. Im Laufe der Jahre wurden jedoch fortschrittlichere Methoden entwickelt, um die gewünschte Schraubenbelastung/Vorspannung besser in den Griff zu bekommen.

  • VDI2230 konventioneller Anzugsfaktor: αA 1,4 -1,6
  • VDI2230 Spannungsfaktor optimiert: αA 1,1 -1,2
  • VDI2230 Reibungsgesteuerter Anzugsfaktor: αA 1,0 -1,1

Drehmoment-Winkel gesteuerte Anzugsmethode

Die Drehmomentwinkelmethode misst indirekt die Dehnung der Schraube. Über die Steigung des Gewindes kann ein Drehwinkel mit der Dehnung des Bolzens verknüpft werden, die wiederum direkt proportional zur Vorspannung ist. Dies gilt jedoch nur, wenn ein Drehwinkel vollständig in eine Dehnung des Bolzens umgewandelt wird. Auf diese Weise muss sichergestellt werden, dass alle eingespannten Teile bündig miteinander abschließen und dass die Anwendung die erforderliche Oberflächenspannung aushalten kann, bevor der Drehwinkel hergestellt wird. Dies wird erreicht, indem zunächst ein sogenanntes Gelenkmoment aufgebracht wird. Dies erfordert eine genaue Berechnung.

Diese Methode eignet sich besonders für Schraubverbindungen mit kurzer Einspannlänge und ist häufig in Produktionsprozessen anzutreffen. Auch für Sacklochschraubenverbindungen nach ISO 4014 ISO 4017 und ISO 4762 eignet sich diese Methode am besten, da sich die Kontermutter nicht drehen kann. Ein Verdrehen der Kontermutter würde den Nettodrehwinkel reduzieren und nicht zu der berechneten Schraubenbelastung führen. Darüber hinaus sollte ein geeignetes Schmiermittel verwendet werden, um zu verhindern, dass die Bolzen gefressen werden. Die Genauigkeit einer Verbindung kann noch weiter erhöht werden, indem sie auf die Streckgrenze angezogen wird.

  • Anzugsfaktor nach VDI2230: αA 1,2 -1,4

Dehnungsgrenzwert-kontrollierte Anzugsmethode

Beim streckgrenzengesteuerten Anziehen von Schraubverbindungen werden die Schrauben beim Anziehen bis zur Streckgrenze angezogen. Die Streckgrenze wird als Kontrollparameter zur Bestimmung der Vorspannung verwendet. Unabhängig vom Reibungskoeffizienten unter dem Schraubenkopf wird die Schraube auf die Streckgrenze angezogen.

Dies macht sich die Tatsache zunutze, dass beim Anziehen von Schraubenverbindungen infolge der Gewindereibung nicht nur eine axiale Spannung, sondern auch eine Torsionsspannung entsteht. Die Referenz der Streckgrenze wird durch die Summe der beiden Belastungen bestimmt. Unmittelbar nach Wegnahme des Drehmoments federt das Torsionsteil um etwa 50% zurück. Infolgedessen nimmt die Vorspannung ab und die Verbindung erhält wieder eine elastische Reserve. Die verbleibende Torsionsspannung fließt in der folgenden Zeit ab. Dies ist normalerweise ein Prozess von Stunden oder Tagen.

Wie bei der Drehmoment-Winkel-Methode muss die Verbindung zunächst mit einem Anfangsdrehmoment angezogen werden, bevor der Drehwinkel zu zählen beginnt. Während der Montage werden das Drehmoment und der erzeugte Winkel gemessen, woraus die Steigung berechnet wird. Basierend auf der Änderung des Gradienten bestimmt ein Verschraubungssystem, wann das Ende der elastischen Kapazität der Schraube erreicht ist und schaltet das Werkzeug ab. Häufig kann der Gradient eingestellt werden. Da der Bolzen nur sehr geringfügig plastisch verformt wird, können auch Bolzen mit einer kurzen Einspannlänge mit der Streckgrenzenmethode angezogen werden. Bolzen können auch wiederverwendet werden. Achtung, dies hängt stark von der Qualität des verwendeten Schraubensystems ab!

Diese Methode eignet sich besonders für Verbindungen mit kurzer Einspannlänge und für den Einsatz im Hochbau.

  • Anzugsfaktor nach VDI2230: 1,0/nicht anwendbar!
  • Schraubverbindungen können bei streckgrenzenkontrolliertem Anziehen nicht brechen. Siehe Anmerkung VDI-2230 – Nov. 2015 Tabelle A8.

Dehnungsgrenze - winkelgesteuerte Anzugsmethode

Wenn auch in geringerem Maße, wird die superelastische (Kunststoff-)Montage von Schraubverbindungen mit wachsendem Erfolg angewandt. Sie ermöglicht eine optimale Ausnutzung des Bolzens bei der Montage und erzeugt maximal mögliche Vorspannungen. Diese Methode verbessert die Haltbarkeit des Bolzens:

  • Infolge der teilweisen Freigabe der Torsionsspannung unmittelbar nach der Drehmomentbeseitigung werden Spannungsreserven für die spätere Betriebsbelastung freigegeben.
  • Normalerweise ist die Belastung auf die Gewinde in der Mutter oder im Sackloch nicht gleichmäßig verteilt, so dass es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Verlust der Vorspannung kommen kann. Durch die (plastische) Verformung von Schraube und Mutter beim Vorspannen über den Stockpunkt hinaus wird eine gleichmäßige Gewindelast realisiert, die teilweise zurückbleibt. Auch nach der Deformation zurück in den elastischen Bereich.
  • Wenn nach der Montage eine plastische Verformung des Bolzens aufgrund der Betriebslast der Anwendung auftritt, kehrt er zur Entspannung in den elastischen Bereich zurück. Relaxation und Vorspannung sind immer miteinander verbunden.
  • Anzugsfaktor nach VDI2230: 1,0/nicht anwendbar!
  • Schraubverbindungen können bei streckgrenzenkontrolliertem Anziehen nicht brechen. Siehe Anmerkung VDI-2230 – Nov. 2015 Tabelle A8.

Drehmomentgesteuerte - winkelüberwachte Anzugsmethode

Der Kontrollparameter bei diesem Anziehprozess ist das gewünschte Drehmoment, wobei der erreichte Drehwinkel am Ende des Prozesses der Referenz-/Überwachungsparameter ist. Der Drehwinkel dient als zweiter Kontrollparameter. Er kann z.B. verwendet werden, um die Zuführung einer Schraube oder den unbeabsichtigten Fluss einer Schraube zu erkennen.

  • Geeignet für VDI 2862-2 Risikoklasse A, B, C.

Drehmomentgesteuerte, dehnungsgrenz-überwachte Anzugsmethode

Der Kontrollparameter bei dieser Anzugsmethode ist das gewünschte Drehmoment, und die Streckgrenze der Schraube ist der Kontroll-/Überwachungsparameter. Die Streckgrenze wird durch den linearen Gradienten zwischen Drehmoment und Winkel erkannt. Wenn die Streckgrenze erreicht ist, wird der Montageprozess angehalten. So können Schrauben nie wieder brechen.

  • Geeignet für VDI2862-2 Risikoklasse: A,B,C.

Dehnungsgrenzwert kontrolliert - winkelüberwachte Methode

Der Kontrollparameter bei dieser Anzugsmethode ist das Drehmoment, um die Streckgrenze zu erreichen, und der erzeugte Drehwinkel ist der Kontroll-/Überwachungsparameter am Ende des Einpassvorgangs. Wenn der Drehwinkel vor Erreichen der Streckgrenze der Schraubverbindung überschritten wird, wird der Prozess gestoppt.

  • Geeignet für VDI2862-2 Risikoklasse A, B, C.

Festziehen mittels eines extern gesteuerten Signals

Bei dieser Anzugsmethode ist der Regelparameter das gewünschte Drehmoment sowie ein Wert aus einer anderen externen Messeinrichtung, z.B. einem Wägezellen-/Bolzenkraftmesser. Sobald die externe Ausrüstung den Sollwert anzeigt, wird der Montagevorgang abgebrochen. Dies erfordert eine kontinuierliche Messung und erfolgt in der Regel in Form eines Stromsignals.

  • Geeignet für VDI2862-2 Risikoklasse A (eingeschränkt), B, C.

Analyse des Schwenkwinkels

Dieses Analysemodul bestimmt den Drehwinkel einer Schraube von einem definierten Anfangsdrehmoment bis zum Erreichen des definierten Enddrehmoments. Bei dieser Montagemethode ist das Enddrehmoment die Steuerungsgröße. Der erzeugte Drehmomentwinkel dient als Hinweis auf die Vorspannung vor dem erneuten Anziehen der Schraube.

Kombination von Anzugsmethoden

Einige Systeme auf dem Markt sind in der Lage, verschiedene Montagemethoden in zufälliger Reihenfolge zu kombinieren.